Während Wasserstoff in der EU im Wärmemarkt zukünftig eine wichtige Rolle einnehmen soll, ist H2 in der Schweiz zurzeit vor allem für Mobilität und Industrie vorgesehen. Trotzdem hat GebäudeKlima Schweiz nun einen Leitfaden zum Wasserstoffeinsatz veröffentlicht, als nüchterne Betrachtung der Wasserstoff-Optionen bei stationären Anlagen und als Informationsangebot für Planungsbüros und Installationsbetriebe.
Welche Rolle spielt Wasserstoff (H2) zukünftig in der Schweizer Wärmeversorgung? In der Wärmestrategie ist H2 hierzulande vor allem zur Erzeugung von Hochtemperatur-Prozesswärme, als Spitzenabdeckung in Wärmenetzen sowie für wärmegeführte Wärmekraftkopplungsanlagen vorgesehen. «Grundsätzlich eignet sich Wasserstoff aber auch zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser», weiss Wasserstoff-Spezialist Stefan Jäschke vom Beratungsunternehmen Envenion. Das würden auch die in den nächsten Jahren auf den Markt kommenden «H2-ready»-Gasheizungen beweisen. Hubert Palla vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie sieht das Einsatzgebiet von Wasserstoff im Wärmemarkt primär bei grossen Heizleistungen zur winterlichen Spitzenabdeckung mit der Kombination von Wärmekraftkopplung (WKK) und Wärmepumpe. Des Weiteren denken die beiden Spezialisten, dass Wasserstoff in den nächsten Jahren vor allem bei Insellösungen (Areale und Quartiere) zum Einsatz kommen werde. Abhängig sei dies jedoch immer davon, ob und wie viel Wasserstoff dann tatsächlich vorhanden sei, sind sich die beiden Experten einig.
Tatsächlich gibt es noch viele unklare Faktoren rund um die Verfügbarkeit, den Transport aber auch den Einsatz von Wasserstoff. Mitte November 2023 veröffentlichte der Bundesrat zwar den Bericht «Wasserstoff. Auslegeordnung und Handlungsoptionen für die Schweiz», die Wasserstoffstrategie 2050 des Bundesamtes für Energie ist jedoch erst bis Ende 2024 angekündigt. Trotzdem hat GebäudeKlima Schweiz nun einen Leitfaden zum Wasserstoff-einsatz in der Industrie und der Gebäudetechnik veröffentlicht. Man wolle damit keine Politik betreiben, betont Konrad Imbach. «Vielmehr geht es um eine Auslegeordnung für die stationäre Nutzung von Wasserstoff, über den sich Gebäudetechnikplaner und -installateure einen grundsätzlichen Überblick über die Thematik verschaffen können», so der Geschäftsleiter des bedeutendsten Schweizer Hersteller- und Lieferantenverbandes der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik.
Theorie und Praxis in einer Gesamtübersicht
An diesem H2-Leitfaden mitgewirkt haben verschiedenste Unternehmen und Fachverbände. Eine Pioniertat, betonen Stefan Jäschke und Hubert Palla. Europaweit gebe es ihres Wissens noch kein vergleichbares Dokument aus der Heizungsindustrie. So werden im Leitfaden die theoretischen Grundlagen zu Wasserstoff und den verschiedenen Wasserstoff-Arten sowie zu den aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen in Europa und der Schweiz erklärt. Er gewährt aber auch Einblicke in die Praxis, zum Beispiel mit möglichen Einsatzbereichen von Wasserstoff in stationären Anlagen. Auch zu beachtende Richtlinien und Sicherheitsregeln werden aufgezeigt. Oder was es bei Planung, Installation und Betrieb von stationären Wasserstoffanlagen sowie bei der Speicherung von H2 zu berücksichtigen gilt.
Ein ganzes Kapitel im H2-Leitfaden ist den Gasgeräten für Wasserstoff gewidmet. Schon heute sind die meisten Gasgeräte so weit wasserstofftauglich, dass dem Erdgas zehn bis 20 Prozent Wasserstoff beigemischt werden könnte. Bereits ab 2025 erfolgt gemäss verschiedenen Geräteherstellern aber auch die Markteinführung von Geräten, die zu 100 Prozent «H2-ready» sind. «Die Industrie ist bereit, wir können innerhalb von fünf Jahren ein breites Programm aufstellen», bestätigt Martin Rauen von Viessmann Schweiz. Treiber sind dabei vor allem europäische Märkte wie Deutschland, Frankreich, Italien aber auch Grossbritannien, in denen Gasheizungen traditionell eine wichtigere Rolle spielen als in der Schweiz und die Wasserstoff in ihren Dekarbonisierungsstrategien mehr gewichten als die Schweiz.
Die Heizungsindustrie ist vorbereitet
«Die Anstrengungen, die sogenannte Wasserstoffwirtschaft in Europa aufzubauen, sind enorm», beobachtet auch Stefan Jäschke von Envenion. Diese Entwicklungen führen in der Schweiz ebenfalls zu Fragen von Endkunden. Gemäss Martin Rauen erhalte Viessmann regelmässig Anfragen von Planungsbüros und Installationsbetrieben zu Wasserstoff. Dieses Bedürfnis nach Information war einer der Hauptgründe für GebäudeKlima Schweiz, den H2-Leitfaden als gemeinsame Leistung der Industrie zu publizieren. Hubert Palla vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie hofft nun, dass damit auf der Planungs- und Installationsseite das Bewusstsein für die Möglichkeiten von Wasserstoff geschärft wird. «Zum Beispiel als Alternative für Gebäude, die nur schwierig energetisch optimierbar sind. Oder als Lösung für Quartiere, in denen viel Eigenstrom produziert wird, der lokal in Form von Wasserstoff zwischengespeichert und später wieder zurückverstromt werden kann.» Ob solche individuellen Lösungen eines Tages auch grossflächig in der Schweiz gefragt sind, ist noch unklar. Klar ist einzig: Die Heizungsindustrie ist vorbereitet. Mit Geräten, die es aktuell schon gibt oder bald lanciert werden. Und mit einem Leitfaden, der eine gemeinsame Basis schafft.
Der Leitfaden «Wasserstoffeinsatz in der Industrie und der Gebäudetechnik» steht unter www.gebaeudeklima-schweiz.ch zum Download zur Verfügung.
Weitere Informationen: www.gebaeudeklima-schweiz.ch
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