Swissgrid regelt kontinuierlich den Fluss des Stroms durch die Schweiz.
Seit diesem Sommer gewährt sie die Versorgungssicherheit unseres Landes – und mit ihr auch jene bedeutender Teile Europas – aus einem eleganten Neubau beim Bahnhof Aarau. Die Sicherheit hat hohe Priorität und prägt die Architektur mit.
Lisenen aus brüniertem Messing prägen die Fassade des Neubaus auf dem ehemaligen Electrolux-Areal. Im Seitenprofil verlaufen sie in einer Zickzacklinie, werden mit jedem Knick breiter oder wieder schmaler, ragen leicht über die Traufkante hinaus und erinnern entfernt an Blitze. Sie geben dem Sachverhalt Ausdruck, dass hier die nationale Netzgesellschaft ihren Sitz hat, die den sicheren und diskriminierungsfreien Betrieb sowie den Unterhalt, die Erneuerung und den Ausbau des Schweizer Höchstspannungsnetzes verantwortet. Man kann das Corporate Architecture nennen. Swissgrid war allerdings nicht Bauherrin, sie ist in Aarau in Miete, mit einem Vertrag über 20 Jahre. Abgeschlossen hat sie ihn mit der CSA Real Estate Switzerland (CSA RES), einer Anlagegruppe der Credit Suisse Anlagestiftung. Diese hofft natürlich, dass sich diese Mieterin dannzumal entschliesst, dem Bau weiterhin die Treue zu halten.
Diese Hoffnung hat ein gutes Fundament, denn das Gebäude ist über die sprechenden Architekturdetails hinaus für die nicht ganz alltäglichen Ansprüche der Netzgesellschaft massgeschneidert, auch wenn es so konzipiert ist, dass es sich für Untermieter herrichten lässt. Das Bürogebäude entstammt gemeinsam mit einem westlich angrenzenden, «ellbogenförmigen» Wohnbau einem Studienauftrag, den die Schneider & Schneider Architekten AG, Aarau, und S+B Baumanagement AG, Olten, 2013 für sich entscheiden konnten. Es steht mit seinem Nachbarn im einstigen Industriegebiet südlich des Bahnhofs von Aarau, die beiden neuen Gebäude liessen sich ergänzen durch eine neue öffentliche Verbindung, welche sie voneinander trennt und sinnigerweise Luxweg getauft wurde.
Das rechteckige, in Nord-Südrichtung verlaufende viergeschossige Bürogebäude umschliesst einen begehbaren Gartenhof. In der Südwestecke ist der Haupteingang, der in einen Begegnungs- und Besprechungskorridor, Marktplatz genannt, übergeht. Am Nordende des Hofes befindet sich das «Herz» von Swissgrid: die über zwei Geschoss reichende Netzleitstelle. Der von den Fassaden klar abgesetzte aber dennoch gut mit Tageslicht versorgte Saal mit vielen kleinen und einem riesigen Bildschirm erinnert entfernt an den «War Room» in Stanley Kubricks Film «Dr. Strangelove» und kann es an Bedeutung mit diesem durchaus aufnehmen. Er wird an allen Tagen des Jahres rund um die Uhr von einem hoch spezialisierten Fachteam betrieben. Der Besucherraum, von dem man im ersten Obergeschoss durch eine schusssichere, dimmbare Scheibe in ihn hinabblicken kann, mutiert bei Bedarf in Blitzesschnelle zum Krisenraum.
Wandelbarkeit und Flexibilität prägen auch die Büroetagen des nach Minergie-P mit Minergie-ECO-Anschlusskriterien sowohl provisorisch nach greenproperty GOLD zertifizierten Gebäudes. Sie werden über fünf massive Betonkerne hinter den Aussenfassaden erschlossen. Individuelle Arbeitsplätze hat Swissgrid mit dem Umzug von Laufenburg nach Aarau weitgehend aufgehoben. Die Mitarbeitenden haben Ablagekästen, in denen Utensilien wie Laptop, Tastatur oder die individuelle Computermaus aufbewahrt werden. Mit diesen belegen sie wahlweise einen Sitz- oder Stehtisch. Verschiedene Ruhe- und Besprechungszonen lassen sich bei Bedarf benutzen. In einem Eckbereich gibt es einen «Green Garden», der mit seinen vielen Pflanzen schon fast an ein Wäldchen erinnert, durch welches das Licht der Bildschirme nur noch beschränkt zu flimmern vermag.
Der Hauptsitz von Swissgrid ist eine kleine Festung. Sicherheit wird an dieser Schaltzentrale aus verständlichen Gründen gross geschrieben. Die nach aussen gehenden Fenster sind alle mit zwei Glasschichten versehen und lassen sich nicht öffnen. Diese hermetische Abschottung wird am sehr gut proportionierten, angenehm ruhigen Hof kompensiert; in diese Richtung lassen sich die Fenster öffnen. Das Gebäude wirkt zwar robust und solide, es möchte aber erklärtermassen nicht durch seine Widerstandsfähigkeit gegen äussere Angriffe auffallen und sich in das moderne Quartier, das von Ersatzneubauten dominiert wird, einpassen. Durch eine umlaufende Mauer und einen ornamentalen, mit einigen kleineren Pflanzen versehenen Steingarten, eine Art modernes Glacis, hält es die Umgebung aber deutlich auf Distanz.
Manuel Pestalozzi, dipl. Arch. ETHZ und Journalist BR SFJ, betreibt die Einzelfirma
Bau-Auslese Manuel Pestalozzi (http://bau-auslese.ch) .