Energieeffizienz und Identität

 

Energetische Sanierungen können Häuser entstellen. Zahlen und Bilanzen der Immobilie sind nachher gut, die einstige Architektur geht verloren. Dem Pfarreizentrum Heilig-Geist in Zürich-Höngg wurde dieses Schicksal erspart, wie ein Rundgang vor Ort zeigte.

 

Von Manuel Pestalozzi*

 

Organisiert wurde die Besichtigung im Zentrum von Zürichs Quartier Höngg vom Verein Neue Energie Zürich, eine Partnerorganisation der AEE Suisse, die sich für eine konsequente Umsetzung der Energiestrategie 2050 einsetzt. Dass ästhetische und architektonische Anliegen dabei nicht auf der Strecke bleiben müssen, zeigte das in Etappen hergerichtete, seit 2019 in jeder Hinsicht ertüchtigte Pfarrzentrum Heilig-Geist überzeugend. Zuständig für die Sanierung des Komplexes, der aus dem Kirchenzentrum mit angebautem Wohnhaus sowie einem freistehenden Pfarrhaus besteht, war Architekt Beat Kämpfen mit dem Büro Kämpfen Zinke + Partner AG aus Zürich. Doch schon bei der Einführung wurde klar, dass dieser Erfolg verschiedene Mütter und Väter hat. Die zuständigen Mitglieder der Kirchgemeinde waren gegenüber dem Ziel Energieeffizienz bei der Bewahrung des architektonischen Ausdrucks offen – und die Gemeinde konnte sich das auch etwas kosten lassen!

 

Das Pfarreizentrum hat Baujahr 1973, sein Architekt war der bekannte Kirchenbauer Karl Higi (1920-2008). Bereits 1998 wurde auf dem Dach des Kirchenzentrums eine Photovoltaik-Anlage installiert. Das war teuer, aber es «wurde zu einem blendenden Geschäft» an der Solarstrombörse, wie Beat Kämpfen beteuert. Er konnte bereits zu Beginn des Jahrhunderts einige bauliche Änderungen am Komplex vornehmen. Als sich etwas später ein Wechsel des Heizsystems empfahl, veranstaltete die Kirchgemeinde nach einem Energie Coaching durch den Stadtverband einen Architekturwettbewerb für eine umfassende energetische Sanierung. Beat Kämpfens Büro konnte diesen für sich entscheiden, weil sein Vorschlag keine neue Architektur vorsah. Das war dem Entscheidungsgremium der Kirchgemeinde wichtiger als das günstigste Angebot, wie Paul Ott, Architekt und Vorsteher der Baukommission deutlich machte. Da sich im Moment dieses Entscheids auch noch die Bau- und Zonenordnung änderte, begrüsste man den Vorschlag von Beat Kämpfen, bei der Gelegenheit die neue Möglichkeit zu nutzen, auch gleich das Pfarrhaus um ein Geschoss aufzustocken.

 

Den erfolgreichen Weg zum angestrebten architektonisch-energetischen Ziel ermöglichte der Hochleistungs-Wärmedämmstoff Aerogel. Dieser erreicht mit geringer Schichtstärke eine ausreichende Dämmleistung. Er wurde in Matten auf die rohen Betonfassaden aufgebracht, verputzt und rot gestrichen. Dank der geringen Schichtstärke war es möglich, das originale, expressive Blechdach Higis vor Ort zu belassen, Form und Umriss des Ensembles veränderten sich durch den Eingriff nur unwesentlich. Die Aufstockung des Pfarrhauses wurde so gestaltet, dass sie mit dem Bestand verschmilzt und als solche nicht erkennbar ist – was sicher im Sinne des ursprünglichen Architektonischen Konzepts ist.

 

Auf dem Areal wurden 11 Erdsonden angeordnet, einfache Blechkollektoren auf dem Dach des Pfarrhauses sorgen für eine Regeneration des Erdreichs in der Sommerzeit. Gemäss Beat Kämpfen ist die Wärmeversorgung des Zentrums nun zu 100 Prozent erneuerbar. Und auf den Vorplatz stellte man ein Glasvordach, bestückt mit weiteren Photovoltaik-Modulen. Nicht nur die Architektur stimmt weiterhin, auch die energetischen Messungen und Bilanzierungen begeistern. 2017 mussten für die energetische Versorgung des Zentrums, inklusive vier Wohnungen, 379’000 Kilowattstunden aufgewendet werden, 2021, nach der Sanierung waren dafür, nun mit sechs Wohnungen, nur noch deren 99’000 notwendig. Das Beispiel in Zürich-Höngg zeigt, dass ein Konsens zwischen Auftraggebenden und Fachkräften und eine koordinierte Gruppe verschiedener Massnahmen ein Bauwerk zukunftstauglich machen können.

 

* Manuel Pestalozzi, dipl. Arch. ETHZ und Journalist BR SFJ, betreibt die Einzelfirma

Bau-Auslese Manuel Pestalozzi (http://bau-auslese.ch)