Zum zweiten Mal in Folge steigen die Strompreise, mancherorts markant. Das ist ärgerlich – kann aber auch eine Chance sein. Höhere Kosten schaffen Anreize, den eigenen Stromverbrauch kritisch zu hinterfragen und zu optimieren. Unsere Autorin hat sich auf die Suche nach Stromsünden und Stromfresser in ihrem Haushalt gemacht.

Kilowattstunden haben mich bislang nicht interessiert. Nicht weil ich einen sorglosen Umgang mit Energie pflegen würde. Ganz im Gegenteil. Ich habe kein Auto, fliege nicht und wasche erst, wenn die Maschine richtig voll ist. Ich hasse Geräte im Standby-Betrieb und laufe im Winter nicht bei 25 Grad Raumtemperatur im T-Shirt durch die Wohnung. Kilowattstunden haben mich bisher nicht interessiert, weil ich schlichtweg davon ausgegangen bin, dass mein energetischer Fussabdruck ohnehin im grünen Bereich ist. War ich zu blauäugig?

Die Ereignisse der vergangenen Jahre – von der befürchteten Energiemangellage und dem wiederholten Strompreisanstieg infolge des Ukrainekriegs bis zu klimawandelbedingten Rekord-Waldbränden im Mittelmeerraum und Rekord-Gletscherschmelzen in den Alpen – haben einmal mehr verdeutlicht: Wir müssen vorwärts machen mit der Energiewende. Weg von den klimaschädlichen fossilen Rohstoffen, die uns vom Ausland abhängig machen, hin zu erneuerbaren Energien, die wir selber produzieren können. Doch wenn Ölheizungen und Verbrennerfahrzeuge grossflächig durch Wärmepumpen und E-Autos ersetzt werden, brauchen wir bedeutend mehr Strom. Eine Studie des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen geht davon aus, dass der Strombedarf bis 2050 infolge der Elektrifizierung von Mobilität und Wärme um 25 bis 40 Prozent steigen wird. Effizienzmassnahmen, wie sie im Energiegesetz festgeschrieben sind, sollen diesen Anstieg abfedern. Allerdings rufen Effizienzsteigerungen bekanntermassen Rebound-Effekte hervor: LED-Lampen brauchen weniger Strom, werden dafür häufiger länger brennen gelassen; Fernsehbildschirme sind heute viel sparsamer, aber auch viel grösser als früher. Für eine nachhaltige Energieversorgung braucht es nicht nur effizientere Technologien, sondern auch eine Verhaltensänderung auf Seiten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das wiederum setzt Wissen voraus. Höchste Zeit also, meinen Stromverbrauch genauer zu durchleuchten.

Auf der Webseite energieschweiz.ch des Bundesamts für Energie stosse ich auf das Tool PERLAS, eine digitale Energieberatung für Haushalte. Dieser Dienst analysiert den persönlichen Stromverbrauch, zeigt Einsparpotenziale auf und empfiehlt auf den Haushalt zugeschnittene Massnahmen. Allerdings funktioniert das nur, wenn der Haushalt mit einem digitalen Stromzähler, einem sogenannten Smart Meter, ausgestattet ist. Anders als die alten, analogen Stromzähler, die nur einmal im Jahr händisch abgelesen werden, weisen Smart Meter den Stromverbrauch mindestens im Viertelstundentakt aus. Man weiss also viel genauer, wann man wie viel Strom verbraucht und kommt damit stromfressenden Geräten oder Gewohnheiten einfacher auf die Schliche – eine wichtige Voraussetzung für Verhaltensänderungen und Stromsparmassnahmen. Bis Ende 2027 müssen laut Stromversorgungsverordnung 80 Prozent aller privaten Haushalte über einen Smart Meter verfügen. Stand Februar 2023 waren es allerdings erst 26 Prozent, wie eine Recherche des Kassensturz ergab. Mein Haushalt gehört leider nicht zum smarten Viertel. PERLAS hilft mir also nicht weiter. Ich muss es auf die analoge Art versuchen. Anruf bei meinem Energieversorger, dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich ewz: «Grüezi, bieten Sie Energieberatungen an?»

Aus und doch an

Wenige Tage später steht Energieberater Silvan Graf vor der Tür, denn eigentlich bietet ewz Beratungen zu Stromsparen im Haushalt nur telefonisch, per Video-Call oder direkt im Kundenzentrum an. Bevor wir uns auf die Suche nach versteckten Stromfressern und unerkannten Stromsünden machen, klappt Graf seinen Laptop auf. «Schauen wir uns einmal Ihren Stromverbrauch an.» Ein Balkendiagramm ist zu sehen. 1914 Kilowattstunden steht beim letzten Balken. So viel Strom haben wir vergangenes Jahr verbraucht. 1914 Kilowattstunden für einen Zwei-Personen-Haushalt in einer 3,5-Zimmer-Wohnung, Hund ausgenommen. Der kostet uns zwar auch viel Energie, aber die bemisst sich eher in Kalorien und Nervenzellen als in Kilowattstunden. Laut den Daten im Kunden-Portal liegen wir mit unserem Verbrauch knapp über dem Durchschnitt unserer Haushaltskategorie. Das hätte ich nicht gedacht. «Finden wir heraus, woran es liegt», sagt Graf und zieht ein Strommessgerät aus der Tasche.

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