Der Ruf nach immer drastischeren Eingriffen in den Wohnungsmarkt ist aus ökonomischer Sicht ineffizient, wirkt ungezielt und belastet die Volkswirtschaft. Aber auch für die Mieterinnen und Mieter können sie kontraproduktiv sein. Dies zeigt eine neue Studie von Avenir Suisse unter dem Titel „Mieten und Mythen“.

Die rekordtiefen Leerwohnungsziffern in den grossen Schweizer Städten alarmieren. Sogenannt „bezahlbare“ Wohnungen sind rar, die Mietpreise steigen. Wohneigentum ist für viele unerschwinglich geworden – selbst für Gutverdienende. Steht die Schweiz am Beginn einer Wohnungsnot? Und falls ja: Was lässt sich dagegen unternehmen?

Avenir-Suisse-Forschungsleiter Marco Salvi hat den Schweizer Wohnungsmarkt analysiert und nach den Gründen für das immer knappere Angebot gefragt. Ist die Zuwanderung schuld? Die mangelnde Verdichtung? Treiben die wachsenden Ansprüche der Menschen an Raum und Komfort die Mietpreise in die Höhe? Liegt die Misere vielleicht in der Immobilien- und Bodenspekulation begründet oder sind die steigenden Preise eine Folge jahrelang tiefer Zinsen? Trifft die Überregulierung des Marktes eine Schuld, etwa im Bereich des Lärmschutzes? Weshalb können Wohnbaugenossenschaften ihre Wohnungen rund 30% billiger anbieten als Private?

In einer akribischen ökonomischen Untersuchung seziert die neue Studie die gängigsten Mythen um die Mieten und zeigt auf, welche Mechanismen die Wohnungsknappheit verschärfen – und welche Massnahmen dabei helfen würden, Entspannung in den Immobilienmarkt zu bringen. Dabei stellt der Autor fest, dass der Markt nach wie vor funktioniert: Die Wohnkosten sind während Jahren nicht überproportional gestiegen, sondern parallel zu den Einkommen; die Wohnfläche und -qualität ebenfalls.

Tiefe Leerwohnungsziffer

Die tiefe Leerwohnungsziffer von 0,5% im Kanton Zürich ist denn auch nur ein Indikator unter vielen. So zieht jährlich 80’000-mal ein neuer Haushalt in eine der rund 750’000 Wohnungen im Kanton Zürich ein[JC1] , was gemäss dem Statistischen Amt des Kantons einer Einzugsquote von über 10% entspricht. Um langfristig konstante Realmieten zu sichern, ist seit längerem aber die Bautätigkeit zu tief: Es fehlen gesamtschweizerisch rund 10’000 zusätzliche Wohnungen pro Jahr.

Dessen ungeachtet ist der Anteil der Budgetposten Wohnen und Energie am Bruttoeinkommen der Haushalte mit ca. 15% seit Jahrzehnten stabil. Der drohende Mangel zeigt sich jedoch an den steigenden Neumieten der letzten Jahre, während die Bestandsmieten an Inflation und Zinsen gebunden sind und somit nur moderat anzogen.

Die Differenz zwischen Neu- und Bestandsmieten erklärt den tiefen Leerstand: Jeder Wohnungswechsel birgt das Risiko wachsender Kosten – insbesondere in den grossen Städten. Dies hemmt die Fluktuation und benachteiligt die mobilen Haushalte – die Jungen, die Geschiedenen und die Zuwanderer. Sie alle zahlen (indirekt) in Form höherer Anfangsmieten und Suchkosten für die alteingesessenen Mieter in ihren vergleichsweise günstigen Wohnungen.

Preisgünstige Wohnungen von privaten Vermietern

Weiter beruht der Mythos, wonach private Investoren wegen ihrer „Renditeorientierung“ nicht genügend preisgünstigen Wohnraum bereitstellen, auf einem Missverständnis. Eine grundlegende Funktionsweise des Wohnungsmarktes besteht aus einem Abschreibungsprozess (dem sogenannten „Filtering“). Alterung lässt Wohnungen im Laufe ihres Lebenszyklus günstiger werden. Jedes Jahr kommen auf diese Weise netto um die 13’400 Einheiten zum Pool der preisgünstigen Wohnungen hinzu. Es handelt sich dabei um die grösste Quelle preisgünstigen Wohnraums.

Zwar bieten auch Wohnbaugenossenschaften „bezahlbare“ Wohnungen an. Ihr Verzicht auf die Bodenrente erklärt im Wesentlichen den Unterschied zwischen Kosten- und Marktmiete. Ohne vergünstigte Baurechtszinsen, Landschenkungen oder Amortisationsbeiträge der öffentlichen Hand sind Wohnbaugenossenschaften auf dem Bodenmarkt selten kompetitiv, was sich in ihrem tiefen Marktanteil (2,8% der Haushalte) niederschlägt.

Verdichten Genossenschaften?

Nachhaltiger Landverbrauch – das Verdichten – ist ebenfalls keine Tugend der Genossenschaften. Zwar liegt die Wohnfläche pro Person gemäss den letzten verfügbaren Zahlen von 2014 im gemeinnützigen Segment mit 36,5 m2 rund 13% tiefer als der gesamtschweizerische Durchschnitt aller Mietwohnungen (42,4 m2). Dafür ist die bauliche Dichte der Wohnliegenschaften marktorientierter Investoren im Durchschnitt höher. Konkret: Würden sämtliche Parzellen der Zürcher Baugenossenschaften ebenso dicht bebaut wie jene der Privaten, könnten rund 5000 zusätzliche 3-Zimmer-Wohnungen entstehen. Bei den Stadtzürcher Liegenschaften ist das Verdichtungspotenzial sogar noch grösser.

Die Mieten, so lautet das Fazit der Studie, sind hoch, weil hierzulande hohe Einkommen erzielt werden. Objektförderung – also die Bereitstellung von Wohnraum unter Wert – bewirkt eine wenig transparente und ungerechte Umverteilung. Als Vehikel der Sozialpolitik gibt es gezielter wirksame Instrumente, etwa die Subjektförderung.

Link zur Website der Publikation von Avenir Suisse

Link zur PDF der Studie