Kleinere private Solaranlagen bilden hierbei eine sofort umsetzbare Lösung zur Schweizer Energiewende

(Zürich)(PPS) *Das Schweizer Stromnetz ist im besten Zustand, doch es stösst schon an seine Belastungsgrenzen. Der Bau von Photovoltaik-Grossanlagen in den Alpen und der jahrelange Netzausbauprozess erhöhen den Druck, besonders dort, wo schon alpine Wasserkraft es fast vollständig auslastet. Zudem wurde es von den Entwicklungen im EU-Strombinnenmarkt ausgeschlossen. Es drängt sich die Frage auf, wie kommen wir aus dieser Zwickmühle heraus? Eine mögliche Lösung, der Ausbau von Solarenergie auf privater Ebene.  *

Der Entscheid des Bundesrates vom 26. Mai 2021, die Verhandlungen mit dem EU-Rahmenabkommen abzubrechen, hat negative Auswirkungen auf die Netzstabilität und auf die Versorgungssicherheit der Schweiz. Vor allem, weil Schweizer Behörden bei relevanten europäischen Gremien in der Weiterentwicklung vom EU-Strombinnenmarkt ausgeschlossen sind und daher kein Mitspracherecht mehr haben. “Mit 12’000 Wartungen jährlich ist das Schweizer Übertragungsnetz nämlich eines der zuverlässigsten der Welt“, meint Otovo Schweiz Länderchef Maximilian Dreyer.

In den Nachbarländern Deutschland und Österreich sieht es nämlich anders aus. Der erhöhte Stromverbrauch durch den zunehmenden Ausbau von Photovoltaikanlagen bringt das dortige Stromnetz erheblich in die Bredouille.

So schieben die Stromnetzbetreiber in Österreich die Schuld auf die privaten Solaranlagenbesitzer und die machen wiederum den Staat für den langsamen Ausbau des Netzes verantwortlich. Und dieses Problem wird zunehmen. Die Klimakrise, der Ukrainekrieg und die hohen Strompreise lassen noch mehr Menschen auf Photovoltaikanlagen wechseln. Das erhöht den Druck auf die Netzbetreiber zusätzlich. So entsteht an sonnigen Tagen bei Solaranlagen eine starke Stromproduktion, die ins Netz eingespeist wird. An bewölkten Tagen ist es umgekehrt. Diese Volatilität überlastet das veraltete Stromnetz der Nachbarländer und führt dazu, dass die Solarenergie in den lokalen Medien zunehmend in die Kritik gerät.

 

Im Oktober 2022 lancierte das Schweizer Parlament eine Solaroffensive, indem es die Bewilligung von Photovoltaik-Grossanlagen erleichtert. Ziel ist es, dass die Schweiz im Winter weniger ausländischen Strom importieren muss und daher unabhängiger vom Ausland wird. Das führt nun dazu, dass vor allem in Bergregionen oberhalb der Nebeldecke mit vielen Sonnenstunden solche Grossanlagen schneller gebaut werden können und nicht ewig in Bewilligungsschlaufen hängen. Das Problem: Das Übertragungsnetz ist in den Gebirgskantonen bereits heute durch grosse Wasserkraftwerke nahezu ausgelastet. Der zusätzliche alpine Solarstrom bringt das Übertragungsnetz komplett an seine Grenzen. “Mit der Schaffung von mehr Transparenz auf dem fragmentierten Strommarkt, könnte man Spitzenwerte schneller erkennen und darauf reagieren”, ergänzt der Otovo Länderchef.

Kleinere private Photovoltaikanlagen haben den Vorteil, dass sie den produzierten Strom oft gar nicht ins Netz einspeisen, sondern für den Eigengebrauch in den Haushalten verwenden. Wärmepumpen und Elektroautos machen eine Eigennutzung in Zukunft noch erstrebenswerter. “Solche Anlagen gestalten das Stromnetz zwar dynamischer, entlasten es aber kurz- bis mittelfristig, weil es sich oftmals mehr Sinn ergibt, den eigenen Strom gleich selbst zu nutzen, ihn in einer hauseigenen Batterie zu speichern und dann erst ins Netz einzuspeisen.” erklärt Otovo. Zudem kann die Schweizer Energierevolution durch private Initiativen schneller und einfacher umgesetzt werden, statt auf nationaler Ebene. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Bewilligungsverfahren von systemrelevanten Höchstspannungsleitungen immer noch 15 Jahre und mehr beträgt. “So gesehen verschaffen die privaten Haushalte den grossen Photovoltaik-Projekten in den Bergen Zeit, um realisiert zu werden.” führt Dreyer weiter aus.

Christian Schaffner leitet das Energy Science Center an der ETH Zürich. Er ist überzeugt, dass zusätzliche Speicherkapazitäten, eine dynamische Verbrauchssteuerung sowie eine vollständige Integration der Schweiz in den europäischen Strommarkt erforderlich sind. Je besser das gelingt, desto weniger muss in den Netzausbau investiert werden.

Immer mehr Menschen verknüpfen ihre Solaranlage mit einer Wärmepumpen-Heizung und/oder einem E-Auto. Das erhöht den Stromverbrauch und daher die Gesamtkosten einerseits beim Strom, anderseits beim Heizen und macht die Nutzung von selbstproduzierten Solarstrom noch attraktiver. Zudem entlastet man das Schweizer Stromnetz, wenn man den Strom nicht einspeist. In Norwegen beispielsweise haben die meisten Menschen eine App auf ihrem Handy, mit der sie ihren Energieverbrauch überwachen und an ihre Bedürfnisse und Preise anpassen können. Auch so kann das Stromnetz entlastet und gezielter ausgebaut werden. Dies wiederum reduziert langfristig die Kosten für den Steuerzahler. Denn solange fossile Energieträger verwendet werden, kann es sich die Gesellschaft nicht leisten, erneuerbare Energien nicht zu nutzen und weiterzuentwickeln. Wenn private Haushalte, die Politik und Netzbetreiber zusammenarbeiten, wird der Wechsel auf erneuerbare Energien schneller und kostengünstiger möglich sein, als manche glauben.