Die ETH Zürich besitzt zahlreiche Kunstwerke. 120 von ihnen lassen sich im öffentlichen Raum bewundern. Führungen bieten eine Chance, diese oft nicht sehr auffälligen Werke für sich zu entdecken. Oft liegen sie am Weg.
Von Manuel Pestalozzi
Die Public Tours der ETH Zürich erschliessen die Kunstschätze, die im ansehnlichen Baubestand des Instituts verborgen sind. Das heisst, eigentlich sind sie durchaus exponiert, aber sie drängen sich den Menschen, die durch die Foyers, Korridore, Atrien, Grünräume oder die angrenzenden Strassen eilen, nicht gerade auf. Am 20. Juli fand nach Feierabend ein einstündiger Rundgang statt, der sich im und um das Hauptgebäude an der Rämistrasse der Kunst an der ETH nach 1955 widmete. 1955 war der hundertste Geburtstag der Hochschule, was der Kunst am Bau und der Übergabe von Schenkungen Schub verlieh.
Die Kunsthistorikerin Agnese Quadri, Mitarbeiterin im Stab Sammlungen und Archive der ETH-Bibliothek, führte ihre Gäste zuerst durch den Nord- und den Südhof des Hauptgebäudes. Zur Bronzeskulptur «der Reiter» von Remo Rossi, die in einem Atrium auf einem schmalen, vier Meter hohen Sockel balanciert – ein Geschenk der kantonalen Bildungsdirektoren Und von der Decke hängt im Südhof ein Sternenhimmel von Roman Signer, die Hinterlassenschaft einer Aktion in der Semper Sternwarte, heute Sitz des Collegium Helveticum. Die Gabe des Künstlers besteht aus 16 zusammengefügten, quadratischen Holzplatten.
Der Rundgang setzte sich im Freien fort. Auf dem ausladenden Sockel des Hauptgebäudes führte er zur Skulptur «Silver Ghost» von Bernhard Luginbühl, die in der Südecke dieser erhöhten Plattform im Kies steht. Auch dieses Kunstwerk ist eine Schenkung, vom Architekten Theo Hotz und seiner Frau Elsa. Hinter der neoklassizistischen Balustrade, umgeben von Laubbäumen setzt es sich mit dem kreativen Potenzial von Stahl-Abfällen und den Möglichkeiten des Recycling auseinander. Recycling ist auch bei der Polyesterskulptur «Volume 18» von Gottfried Honegger im Spiel. Das aus zerschnittenen Kugeln bestehende Werk war einst weiss und stand auf dem Pausenplatz einer Schule in Villmergen. Jetzt ist es schwarz und wurde vom Künstler zu einer neuen Komposition zusammengefügt. Die Schenkung von Michael Hilti steht jetzt vor der nach Nordwesten orientierten Sgraffito-Fassade des Hauptgebäudes.
Die nächste Station war das neuere Gebäude CHN an der Rämistrasse. Nach einer Nutzungsänderung schrieb die ETH in den Nullerjahren einen Kunst am Bau-Wettbewerb aus, um im grossen Atrium des Baus einen Akzent zu setzen. Der Fotograf Beat Streuli gestaltete einen geschossübergreifenden Abschnitt der Atriumwand mit Porträts von Studierenden, welche das Lebensgefühl des Jahres 2005 verewigen. Sein Ende erreichte der Rundgang im angrenzenden alten Chemiegebäude aus dem 19. Jahrhundert, das jetzt der Informatik dient. Hier konnte Sylvie Fleury den Wettbewerb für sich entscheiden. Im repräsentativen Haupttreppenhaus hängen jetzt zwei riesige Pendel aus Chromstahl, und im Eingangshof stehen zwei überdimensionierte, spiralförmige Armreifen im Kies – Hommagen an die Parawissenschaften, die auch in den Zentren des akademischen Lebens nicht in Vergessenheit geraten sollten.
Der einstündige Rundgang konnte und wollte nicht mehr als ein Tour d’Horizon sein, eine Einladung, sich die Kunstschätze in Ruhe näher anzuschauen. Er zeigte, dass Kunst und Architektur und mögliche Betrachterinnen oder Betrachter nicht so ohne weiteres zusammenfinden. Dass nicht nur die Künstlerinnen und Künstler kreativ tätig sein müssen, sondern auch die Instanzen, welche über die Platzierung der Objekte entscheiden, gründliche Denkarbeit leisten müssen. Und vielleicht, dass das Anziehende und das Abstossende eines Kunstwerkes ein ausgewogenes Spiel der Kräfte erreichen müssen – was eminent standortabhängig ist.
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Bildquelle: Bau-Auslese Manuel Pestalozzi