Der Komplex Kongresshaus und Tonhalle Zürich hat eine umfängliche Instandsetzung erfahren. Am 04./05. September 2021 finden die Eröffnungstage statt. Ein Fachmedienrundgang vermittelte einen Eindruck von den epischen Dimensionen, welche dieses Prestigeprojekt besitzt.

Von Manuel Pestalozzi

«Komplex» ist nicht nur der treffende Begriff für die aus mehreren Trakten bestehende Anlage an Zürichs Seebecken, es ist auch das passende Eigenschaftswort für die Bauaufgabe, die hier angepackt werden musste. Nach einer Planungs- und Realisierungszeit von rund zehn Jahren hat sie nun ihren Abschluss gefunden. Der Bestand, den es zu erhalten galt, stammt aus unterschiedlichen Epochen: 1885 und 1939. Diverse Volumen grenzen grossflächig aneinander und durchdringen sich teilweise. Dann gab es noch Eingriffe aus den 1980er-Jahren. Man taxierte sie mit dem Segen der Denkmalpflege als Verunstaltung.

Die Aufgabe, der sich ein grosses Planungsteam im Auftrag der Stadt Zürich und der Eigentümerin Kongresshaus-Stiftung Zürich stellen musste, bestand einerseits in einer Rückführung des Gebäudes, so dass der Geist und die Qualitäten von 1939 wieder deutlich erkennbar werden. Damals verschmolz die prominente Architektengruppe Haefeli-Moser-Steiger die alte Tonhalle mit dem neuen, modernen Kongresshaus. Zusammen teilen sie sich seither einer ausgedehnte, repräsentative Foyeranlage, welche sich auf eine Terrasse mit Seeblick ausdehnt.

Die Arbeiten erfolgten gemäss einem Konzept der Architekturbüros Elisabeth & Martin Boesch, Zürich, und Diener & Diener, Basel. Neben einer «Entrümpelung» und dem Abtragen von Deckschichten wurde der Gartensaaltrakt am General-Guisan-Quai ersetzt und erweitert. Leider fiel dem Mehr an unterteilbarem Saal ein Teil des Gartens, dem neuen Restaurantaufbau ein Stück der Terrasse zum Opfer. Die vorgenommene Verdichtung schafft optisch eine deutlichere Trennung zwischen der Uferpromenade und dem Stadtkörper hinter ihr. Sie beeinträchtigt das räumliche Kontinuum, welches zuvor den Garten mit den Uferanlagen verband. Dafür liessen sich dank der Rückbaumassnahmen die Tageslichtverhältnisse in den Foyerbereichen und die Zugänglichkeit der Terrasse wieder herstellen.

Kein Aufwand wurde gescheut, um die historischen Räume in alter Frische aufleben zu lassen und ihre architektonischen Qualitäten zur Geltung zu bringen. Zahlreiche Dekorelemente, welche die grossen, ebenmässigen Raumoberflächen verzieren – ein charakteristisches Merkmal des Kongresshauses – wurden freigelegt, saniert oder ersetzt: die charakteristischen Rankenleuchten etwa, oder die Sgraffitomuster aus geraden und gewellten Linien. Im klassizistischen Tonhallensaal kombinierte man Eingriffe von Haefeli-Moser-Steiger mit Zuständen aus früheren Zeitepochen. Element um Element des Saals wurde sukzessive bearbeitet, immer mit einem Auge auf dem zu Verfügung stehenden Budget.

Dass das Projekt dennoch Zusatzkredite beanspruchte, lag weniger an den sichtbaren Massnahmen als an den Hintergründen und insbesondere am Untergrund. Dort herrschten teilweise prekäre Zustände, wie sich erst nach Beginn der Arbeiten erwies. Während des Fachmedienrundgangs wurde mehrmals betont, dass man einen Grossteil der Eingriffe gar nicht sieht: etwa die Konferenztechnik, Fluchtwege, Brandschutzmassnahmen oder die Gewährleistung der «Seetüchtigkeit» des Komplexes, dessen Standort vor einhundertsiebzig Jahren noch eine Bucht war. Der wiederholte Hinweis auf die versteckte Technik, die quasi unsichtbare Erfüllung von aktuellen Regeln und Normen, gibt Anlass zum Nachdenken über die Authentizität von Raumeindrücken und die Grenzen der Wertschätzung einer Epoche, deren technische Standards anerkanntermassen nicht mehr den aktuellen Ansprüchen genügen. Gespannt bleibt abzuwarten, wie sich die sanierten Räumlichkeiten beleben werden, wie das breite Publikum dieses kostbare Bijou annimmt.

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