Die Gleise des Hauptbahnhofs Zürich werden dem linke Sihlufer entlang von einem vollwertigen Autobahntunnel unterquert. Er wird aber nicht als solcher genutzt. Ein Velotunnel daraus machen? Darüber wird in der Stadt demnächst abgestimmt.

Von Manuel Pestalozzi*

Nur noch wenige Meter hat die Sihl bis zur Mündung in die Limmat zurückzulegen, bevor sie unter der Gleis- und Perronanlage des Hauptbahnhofs von Zürich verschwindet. Einst wollte man den Flusslauf für einen Autobahnast nutzen, der sich von Süden kommend mitten in der Stadt mit zwei weiteren Fahrbahnen getroffen und ein Verkehrs-Ypsilon gebildet hätte. Die Idee ist bis heute noch nicht ganz aus den Richtplänen verschwunden. Beim Ausbau der Bahnhofsanlage nutzte man deshalb in den 1980er und 1990er-Jahren die Gelegenheit, einen rund 200 Meter langen Tunnelabschnitt zu errichten – für alle Fälle.

Seither liegt die versteckte, vierzigtönnertaugliche Vierspur-Doppelkaverne brach. Ein kleiner Abschnitt am Nordende der Sihlpassage, einer Bahnhofsunterführung für den Fussverkehr, wurde mit einem flauschigen roten Teppich ausgelegt, er dient gelegentlich als Veranstaltungs- und Ausstellunghalle. Hierhin luden der Vorsteher des Tiefbau- und Entsorgungsdepartementes der Stadt, Richard Wolff, und die Direktorin des Tiefbauamtes, Simone Rangosch die Presse zu einem Informationsanlass, die Zukunft des Tunnels betreffend. Seit gut 10 Jahren geistert nämlich die Idee durch die Köpfe engagierter Züricherinnen und Zürcher, den Autobahntunnel – offiziell Stadttunnel genannt – in einen Velotunnel zu verwandeln.

Die Idee ist bestechend, insbesondere wenn man einen grossen Teil der Unterquerung als ideal gelegene Velostation benutzen kann. Sie ist auch machbar, wie die beharrliche Planungsarbeit des Tiefbauamtes nachweist. Allerdings hat sie ihren Preis. Und einen Haken: die erwähnten, nach wie vor gültigen Richtpläne. Immerhin hat die Stadt gemäss Richard Wolff die Gewissheit, dass die Velonutzung für 20 Jahre garantiert ist. Sollte anschliessend der Wunsch bestehen, den Autobahnabschnitt doch noch zu erstellen, müsste die Stadt einen Rückbau der velogerechten Nachrüstung finanzieren. Die 8,8 Millionen Franken, die das kosten würde, sind im Objektkredit eingeschlossen, über den die Bürgerinnen und Bürger der Stadt am 13. Juni 2021 abstimmen werden.

Das Projekt der Stadt sieht einen Ausbau und eine Gliederung der bestehenden Kavernen vor: Im westlichen Teil wären die Haustechnik und die Velostation untergebracht. Ein Aufgang würde letztere mit der erwähnten Sihlpassage verbinden. Entlang des östlichen Rands der Kaverne verliefe der rund um die Uhr geöffnete Velotunnel, beidseits erschlossen mit Rampen, welche vom Bereich Sihlpost via bestehende Velostation zum tiefsten Punkt der Kaverne und dann durch diese mit einer leichten Steigung in den Kreis 5, ans Sihlquai und über eine Verzweigung an die Konradstrasse führen würde. Man ahnt nach dieser Beschreibung: Es handelt sich um keine einfache Aufgabe, in einer stark beanspruchten, zentral gelegenen Zone der Stadt. Die Bauarbeiten versprechen sehr aufwendig zu werden, schliesslich muss der grösste Bahnhof der Schweiz währenddessen reibungslos funktionieren. Die Stadt beantragt beim Stimmvolk deshalb die Genehmigung eines Objektkredits von 27,65 Millionen Franken. Lohnt sich der Aufwand? Könnte man mit den Kavernen auch etwas anderes, klimafreundliches anfangen? Die Beantwortung der ersten Frage erfolgt demnächst an der Urne.

* Manuel Pestalozzi, dipl. Arch. ETHZ und Journalist BR SFJ, betreibt die Einzelfirma
Bau-Auslese Manuel Pestalozzi (http://bau-auslese.ch)

Bildquelle: Manuel Pestalozzi + Stadt Zürich