Die Kriminalpolizei hat die den Auftrag, Straftaten zu erkennen und aufzuklären oder wo möglich zu verhindern. Sie agiert meistens diskret und im Hintergrund, hat aber mitunter Befugnisse zu drastischen Massnahmen. Wie äussert sich das in der Architektur für sie? Bei einem Kriminalpolizei-Neubau in Zürich findet man Antworten.

Von Manuel Pestalozzi*

Der Neubau ist 2017 aus einer Gesamtleistungsstudie im selektiven Verfahren hervorgegangen. Sie mündete in einen Auftrag an das Projekt-Team mit dem Architekturbüro Penzel Valier AG, Zürich, und der Bauunternehmung Erne AG aus Laufenburg AG. Realisiert wurde er mit einem Totalunternehmervertrag durch die Erne AG. Sie seien sehr zufrieden, sagte der Vorsteher des zuständigen Hochbaudepartements, André Odermatt, anlässlich eines Medienrundgangs.

Den Standort bezeichnete André Odermatt als Glücksfall; mitten im sich wandelnden und entwickelnden Stadtteil Zürich West, zwischen Limmat und dem Gleisfeld des Hauptbahnhofs, fand sich eine bisher unbebaute Parzelle im Besitz der Stadt, verkehrstechnisch gut gelegen und nahe am Geschehen. So konnte der kompakte, siebengeschossige Solitärbau an der Förrlibuckstrasse, direkt gegenüber der Zürcher Hochschule der Künste, geplant und errichtet werden. Im Grundriss ist der neue Sitz der Kriminalabteilung der Stadtpolizei Zürich ein langgezogenes Sechseck. Westlich von ihm verlaufen der Mühleweg, auf dem der Fuss- und Veloverkehr direkt zum historischen Hardturm und zur Brücke über die Limmat gelangen, und darüber der Bahnviadukt zum Käferbergtunnel, der das Limmat- mit dem Glatttal verbindet.

Die direkte Umgebung ist durch grosse Büro- und Gewerbebauten geprägt. Das vergleichsweise kleine Volumen mit seinen umlaufenden Bandfenstern und den elegant geschwungenen Betonbrüstungen fügt sich sehr diskret in den Bestand ein. Es tritt nicht als «Festung» in Erscheinung, obwohl hier Personen unfreiwillig angeliefert und an der Flucht gehindert werden; es gibt keinen separaten Hof, wie man ihn bei einem Zweckbau dieser Art erwarten könnte, das Gebäude beteiligt sich stattdessen am durchlässigen Hofraum der Nachbarn und ist aus jeder Richtung frei zugänglich. Entlang des Mühlewegs fand sich sogar Platz für einen kleinen Pocketpark, der der Öffentlichkeit freisteht.

Erst beim näheren Hinsehen fallen Besonderheiten auf, welche andeuten, dass hier Ungewöhnliches geschieht; die massiven, hermetischen Türen und Tore in der Fassade, der solide, ebenfalls elegant geschwungene Betonsockel, die Betonbrüstungen hinter den geschosshohen Fenstern des Erdgeschosses, die anschliessenden «blinden» Fenster, hinter denen sich die Zellen verbergen. Offenbar ist die Architektur durchaus auf Angriffe und Ausbruchsversuche vorbereitet, auch wenn das Gebäude nach Aussage von Daniel Blumer, dem Kommandanten der Stadtpolizei, «nicht kriegstauglich» ist.

Der Sichtbeton der Fassade findet seine Entsprechung im Innern, insbesondere im Erdgeschoss, in dem ein 24 Stundenbetrieb herrscht und der auch als Polizeiposten für die Quartierbevölkerung dient. Nackte, graue Wände herrschen vor, weisse Oberflächen kontrastieren sie. In Schlammgrün sind die Türen der Zellentrakte gehalten. Die vorherrschende Deckenbeleuchtung in den fensterlosen Korridoren tritt als Abfolge von Querstreifen in Erscheinung – unwillkürlich mögen Phantasievolle an historische Sträflingskleidung denken, auch wenn hier de facto niemand länger als einen Tag festgehalten wird. Zweckmässigkeit kommt bei diesem Haus definitiv vor Gemütlichkeit.

Die Zweckmässigkeit wird von der Führung der Kriminalpolizei begrüsst. Sie freut sich sehr über ihren Neubau, zumal die Abteilung endlich ein einem Gebäude konzentriert wird, was die Organisation einfacher macht. Willkommen ist auch die Ansiedlung des Kommissariats Prävention im Gebäude, welche die Kolleginnen und Kollegen der Kriminalabteilung im Idealfall entlastet. Im sechsten Obergeschoss steht den rund 355 hier tätigen Beamtinnen und Beamten eine Kantine mit einer Terrasse zur Verfügung – die horizontale Schichtung ihres neuen, diskreten Stützpunkts belohnt sie hier mit einer schönen Aussicht auf die Ebene der Limmat und den Hönggerberg.

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