Der Holzbau steht für Hightech und Nachhaltigkeit. Die Bauindustrie und Architekturszene entdecken den Baustoff Holz neu. Der technische Fortschritt macht auch grössere Bauvolumen und höhere Gebäude aus dem natürlichen Schweizer Rohstoff möglich.

In Architekturkreisen hat das Interesse am Baustoff Holz respektive am Holzbau in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Denn das natürliche Material ist sehr vielseitig einsetzbar: Mit Holz lassen sich tragende Strukturen für Häuser, Brücken und Hallen in praktisch jeder beliebigen Grösse realisieren. Hinzu kommen verschiedenste Bauelemente aus Holz, Ausbauten, Verkleidungen, Bodenbeläge, Möbel und Geräte. Doch bei den Endabnehmern – den privaten Hauskäufern und Bauherrschaften – hat der Holzbau noch immer mit Vorurteilen zu kämpfen. Das Stichwort Holzbau weckt bei vielen Laien Assoziationen an traditionelles Fachwerk, hübsche Chalets in den Bergen und alte Scheunen.

In Marktanteilen gemessen ist Holz zwar immer noch ein Nischenplayer, doch das Material ist klar auf dem Expansionspfad. Je nach Segment im Wohnungsbau ist die Rede von sechs bis fünfzehn Prozent Marktanteil. Eine Zeit lang fand der Holzbau vor allem bei Einfamilienhäusern Anklang, doch in städtischen Agglomerationen wachsen derzeit öfters auch grossvolumige Bauten wie Mehrfamilienhäuser, ganze Siedlungen, Büro- oder Schulhäuser in den Himmel. Die neuste Bilanz von Michael Meuter vom Branchenverband Lignum lautet: «Was An- und Umbauten von Mehrfamilienhäusern betrifft, erreicht Holz bereits einen Marktanteil von rund einem Drittel.» Die positive Resonanz in den Städten hat damit zu tun, dass der Trend in Richtung Gesamtenergiebilanzen und 2000-Watt-Gesellschaft geht.

Natürlicher Rohstoff der Schweiz
Der wichtigste Vorzug von Holz ist zweifellos die Nachhaltigkeit. In Schweizer Wäldern wachsen jedes Jahr fast 10 Millionen Kubikmeter Holz nach. Die Waldwirtschaftet erntet etwa die Hälfte dieser Menge, wobei ein grosser Teil davon auf dem Bau Verwendung findet. Das Material schneidet punkto grauer Energie und CO2-Bilanz deutlich besser ab als die meisten anderen Baustoffe. Dieser Vorteil kommt erst recht zum Tragen, wenn das Holz echt «Marke Schweiz» ist. Unter dem allgemeinen Kostendruck und aufgrund des starken Schweizer Frankens hat allerdings die Konkurrenz von Holz aus dem Euro-Raum massiv zugenommen. Michael Meuter von Lignum empfiehlt daher, auf das Herkunftszeichen «Schweizer Holz» zu achten.

Eine Zeit lang brachten private Bauherren, aber auch viele Architekten Holz als Erstes mit Feuer und Brandgefahr in Verbindung. Fachleute im In- und Ausland kommen aber je länger desto mehr zum Schluss, dass die Brandgefahr von Holz überschätzt wurde. So sind die Brandschutzvorschriften in den letzten Jahren sukzessive angepasst worden.

Nach den neusten Schweizer Brandschutzvorschriften (2015) kann Holz in allen Gebäudekategorien und Nutzungen angewendet werden. Konkret sind nun brandschutztechnisch robuste (d. h. mit nichtbrennbaren Bekleidungen geschützte Holzbauteile) anderen Bauweisen gleichgestellt. «Unter bestimmten Voraussetzungen sind sogar Hochhäuser mit Holz möglich. Holz normalisiert sich damit als Baustoff ohne Sonderregelung», so Michael Meuter vom Branchenverband.

Hightech im Holzbau
Natürlich gibt es nach wie vor den Holzbau als traditionelles Handwerk und Zimmermannskunst, doch daneben hat sich eine moderne Holzbauindustrie etabliert: Aufgrund seiner Leichtigkeit eignet sich Holz hervorragend für eine industrielle Vorfertigung in Werkhallen. Dank modernster Technologie wie computergestützter Planung und computergesteuertem Fräsen beziehungsweise Zuschneiden kann Holz in höchster Präzision verarbeitet werden. Vorgefertigte Bauteile werden danach auf der Baustelle in kurzer Zeit montiert; diese Technik bietet sehr viel mehr Präzision, spart Zeit und vereinfacht die Abläufe. Sämtliche Details wie Fensteröffnungen, Anschlüsse für Verkabelungen, Steckdosen etc. sind bei den vorfabrizierten Elementen fixfertig vorhanden.

Verdichtung und Aufwertung
Dank des geringen Gewichts kommt dem Material Holz heute eine Schlüsselrolle bei baulichen Verdichtungen und Aufstockungen zu. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Erweiterung eines bestehenden Lagergebäudes im Eigentum der Sihltal Zürich Uetliberg Bahn (SZU) in Zürich: Dem Architekturbüro Burkhalter Sumi ist es gelungen, den bestehenden Bau mit vier zusätzlichen Geschossen mit 24 Wohnungen überzeugend aufzustocken. Auf gleicher Grundstückfläche wie zuvor konnte damit die nutzbare Fläche massiv erhöht und erst noch eine deutliche bauliche und architektonische Aufwertung realisiert werden. Yves Schihin von Burkhalter Sumi sagt dazu: «Dank Holz sind Mehrnutzungen auch dort möglich, wo die konventionelle Bauweise an ihre Grenzen stösst, etwa in dicht besiedeltem Gebiet auf bestehenden Strukturen.» Im schon bestehenden Gebäudeteil ist heute der SZU-Hauptsitz untergebracht, oben entstanden neue, attraktive Stadtwohnungen, und zwar ohne dass die bestehende Tragstruktur statisch hätte verstärkt werden müssen.

Holzbau: Hochhäuser in Wien und in Rotkreuz
Was im internationalen Holzbau möglich ist, zeigt aktuell das HoHo-Hochhaus in Wien. Der Neubau wird nach Fertigstellung 24 Etagen aufweisen und rund 84 Meter hoch in den Himmel ragen. Geplant sind gemischte Nutzungen mit Hotel, Wohnungen mit Services, Restaurants, Beauty- und Wellness-Flächen sowie weitere Nutzungen mit Büros und Gewerbe. Die Bauherrschaft und Planer haben sich für eine Hybridbauweise entschieden. Das heisst: Der Kern des Gebäudes besteht aus Beton, doch zum grösseren Teil kommen Elemente aus Holz zum Einsatz.

Sowohl bei vielen Architekten als auch bei Bauherrschaften ist die Resonanz in der Schweiz ebenfalls gross. Neustes Beispiel: Derzeit befinden sich auf dem Areal «Suurstoffi» in Rotkreuz gleich zwei Hochhäuser aus Holz im Bau. Das erste zählt 10, das zweite sogar 15 Geschosse. Dabei kommen sowohl bei der ganzen Planung, Vorfertigung und Produktion vor Ort modernste Methoden zum Einsatz. Fazit: In Sachen Holzbau ist die Schweiz also auf der Höhe der Zeit.

Jürg Zulliger

Webseite: www.newhome.ch