Überall, wo wir uns aufhalten, können sich in der Luft schädliche Stoffe befinden. Gifte zuhause in der guten Stube? Allein die Vorstellung lässt einen schwindlig werden! Die gute Nachricht: Mit richtigem Lüften und Verhaltenstipps lässt sich vieles verbessern.

Gesund wohnen und saubere Luft atmen ist ein grosses Thema. Stellen wir uns ein Baby oder ein Kleinkind vor: Solange es sich kaum im Freien aufhält, verbringt es 8’000 oder 9’000 Stunden im Jahr zuhause. Doch auch andere Bewohner, die tagsüber zur Schule oder zur Arbeit gehen, halten sich etliche Stunden in Innenräumen auf.

Gesund wohnen: Handlungsbedarf!

Doch wie gesund oder ungesund ist die Luft, mit der wir alltäglich in Kontakt sind und die wir einatmen? «Gewisse Probleme haben sich eher akzentuiert», sagt der Zürcher Umweltchemiker und Bauökologe Reto Coutalides. Er hat sich auf Innenraumluft und ökologisches Bauen spezialisiert. Bekannt ist er auch als Autor des Buches «Innenraumklima – Wege zu gesunden Bauten».

Im Zug vieler Gebäudesanierungen werden die Gebäudehüllen tendenziell besser gedämmt. In Kombination mit besseren Fenstern weisen heute viele Gebäude eine hohe Luftdichtigkeit auf. Wohngifte, die sich in den Innenräumen finden, entweichen so viel weniger ins Freie. Sind die Innenräume ungenügend belüftet, steigt die CO2-Konzentration. Hinzu kommen teils Feuchtigkeitsprobleme und die Bildung von Schimmelpilzen. Manche Wohngifte, die sich in gewissen Materialien oder Möbeln befinden, treten bei ungenügendem Lüften in höherer Konzentration auf.

Frische Luft rein!

Richtig lüften ist an sich nicht schwierig, setzt aber eine gewisse Disziplin voraus:

Am besten machen Sie vier bis fünf Mal täglich rund fünf Minuten lang richtig Durchzug (so genanntes Stosslüften). Das ist wesentlich effizienter, als ein oder zwei Fenster nur halb zu öffnen oder gar die Fenster lediglich in Kippstellung zu setzen.
Schwieriger wird es, wenn Sie tagsüber entweder gar nicht oder nur kurz zuhause sind. Wer nach dem Duschen am morgen nicht lüftet, muss eher mit Feuchtigkeit und Schimmelpilzen rechnen. Viele Verwaltungen und Hauseigentümer rüsten ihre Gebäude daher mit automatischen, kontrollierten Wohnungslüftungen aus.

Für ein angenehmes Innenraumklima spielen im Weiteren die Temperatur und Luftfeuchtigkeit eine grosse Rolle. Was als behaglich empfunden wird, ist individuell verschieden und hängt auch von der Nutzung ab. In Schlafräumen können Sie die Thermostate ruhig tiefer einstellen. Wo man aber «in der guten Stube» sitzt und liest, werden die meisten Leute die Temperatur etwas höher einstellen. Ideal wäre zudem eine Luftfeuchtigkeit von etwa 40 bis 60 Prozent.

Für die meisten Menschen ist weder eine zu tiefe noch eine zu hohe Luftfeuchtigkeit angenehm. Eine hohe Luftfeuchtigkeit birgt das Risiko, dass die Feuchtigkeit an kühlen Stellen kondensiert. Diese Feuchtigkeit ist der Bildung von ungesunden Schimmelpilzen förderlich.

Gesund wohnen: Dos und Don’ts

Rein bauphysikalisch sind die Zusammenhänge beim Innenraumklima komplex. In manchen Gebäuden kommen manchmal mehrere ungünstige Faktoren zusammen, wie Experte Reto Coutalides erläutert: «Heikel ist unter Umständen der Einsatz von Luftbefeuchtern.» Ein Beispiel: In einem älteren Wohnhaus, dessen Hülle und Fenster nicht allzu dicht sind, entweicht im Winter mit warmer Raumluft relativ viel Luftfeuchtigkeit. So empfindet der Mensch die Raumluft als unangenehm trocken. Wenn nun die Bewohner Tag und Nacht einen Luftbefeuchter laufen lassen, wird es wahrscheinlich auch nicht viel besser. «Weil die Oberflächen der Wände in solchen Häusern mit schlechter Dämmung eher kühl sind, besteht die Gefahr von Schimmelbildung», warnt Coutalides. Entscheidend ist daher, die wichtigen Parameter wie Temperatur und Feuchtigkeit zu messen. Oft führt kein Weg daran vorbei, dass die Gebäude wenn nötig nachgerüstet werden und der Architekt oder eine andere Fachperson ein Lüftungskonzept ausarbeitet.

Wollen Sie gesund wohnen und zuhause mal richtig tief Luft holen? – Grundsätzlich haben Sie als Mieter bzw. Bewohner einigen Spielraum, um selbst zu einem guten Innenraumklima beizutragen. Vom richtigen Lüften abgesehen, fallen folgende Punkte ins Gewicht:

Feinstaub in Wohnungen vermeiden: Messungen haben ergeben, dass die Konzentration von gesundheitsschädigendem Feinstaub in Innenräumen manchmal höher ist als im Freien! Eine echte Sünde ist es zum Beispiel, in Innenräumen zu rauchen. Schädlicher als viele glauben wollen, sind im Übrigen Kerzen und auch Duftkerzen. Die meisten Duftkerzen enthalten einen ziemlichen Cocktail an synthetischen Duftstoffen, die viele Menschen nicht vertragen. Kerzen verursachen zudem CO2 und Russ (Feinstaub).
Gesund wohnen mit der Produktwahl: Achten Sie beim Einkauf von Einrichtungsgegenständen, Möbeln, Textilien, Teppichen etc. auf die entsprechenden Labels und Ökohinweise. Wenn etwas stark und unangenehm richt, ist dies noch kein wissenschaftlicher Befund. Aber legen Sie Wert auf Produkte, die nicht Weichmacher, Lösungs- und Konservierungsmittel etc. enthalten. In der traditionellen Baukunst, gibt es viele Materialien, die bauökologisch von Vorteil sind.
Gesund wohnen: Wer baut oder umbaut, sollte auf Bauökologie achten. «Lehm und Gips können zum Beispiel viel Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben. Mineralische Baustoffe sind in der Regel sehr emissionsarm», erläutert Reto Coutalides. Noch ein anderes Beispiel: Möbel aus Massivholz sind nicht nur solid und sehen schön aus, die geben auch keine Wohngifte an die Umgebung ab.

Denken Sie immer daran, was es an natürlichen und unbedenklichen Dingen gibt: Muss es am Feierabend oder beim Vollbad wirklich eine Duftkerze sein, um quasi die ganze Wohnung zu «parfümieren»? Müssen in der Adventszeit täglich stundenlang Kerzen brennen? Die Schadstoffe, die von brennenden Kerzen abgegeben werden, hängen auch noch von der Dochtlänge und dem Luftzug ab. Je kürzer der Docht und je ruhiger die Luft, umso weniger schädlich sind die Stoffe, die der Flamme entweichen.

Übrigens gibt es viele ganz natürliche Alternativen, um sich mit Düften etwas Wellness für die Seele zu gönnen: etwa ein Blumenstrauss, Tannenzweige, in der Adventszeit Mandarinen oder mit Nelken gespickte Orangen.

Radon: Stille Gefahr

Ein Schadstoff bzw. eine Strahlung, deren Gefahr in Innenräumen immer noch unterschätzt wird, ist Radon. Dabei handelt es sich um Zerfallsprodukte, die überall im Boden vorkommen und radioaktiv strahlen. Besonders heimtückisch ist Radon, weil man es weder sieht noch riecht. Laut Bundesamt für Gesundheit BAG erhöht Radon das Risiko von Lungenkrebs. Gemäss den offiziellen Hochrechnungen gehen pro Jahr rund 200 bis 300 Todesfälle auf das Konto von Radon.

Wer wissen will, ob er in den eigenen vier Wänden einer Radongefahr ausgesetzt ist, sollte mit einem so genannten Dosimeter messen. Kontakte und Anlaufstellen findet man über die zuständigen kantonalen Behörden oder das Bundesamt für Gesundheit. www.ch-radon.ch

Weil die Behörden und Gesundheitsexperten die Gefahr von Radon als ernst einstufen, wird in der Schweiz auf den 1. Januar 2018 ein neuer, strengerer Richtwert für die Radonbelastung eingeführt. Wichtig ist, eine potentielle Gefahr durch Messungen oder allenfalls den Beizug von Spezialisten zu erkennen. Denn es gilt: Durch gewisse bauliche Massnahmen oder wenn nötig eine Radon-Sanierung, kann die Gefahr in Wohnhäusern gebannt werden.

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Text + Bilder: Jürg Zulliger