Meinung Die Ängste und Fragezeichen der entwerfenden Architektinnen und Architekten sind zahlreich: Unterstützt die Unschärfe des weichen 6B-Bleistiftes – als Handskizze auf einem Stück Papier – die intuitive Formfindung und geht diese mit dem digitalen Entwerfen verloren? Schränken die Attribute und Eigenschaften eines digitalen Bauwerksmodells die architektonische Entwicklung eines Projekts zu sehr ein? Ganz im Gegenteil! 
Richtig angewandt unterstützen die digitalen Werkzeuge den Entwurfsprozess. Voraussetzung ist in jedem Fall ein starkes disziplinäres Wissen. Wer nichts von Raumqualitäten und Tragwerksplanung versteht, wird auch mithilfe von digitalen Methoden nicht gut entwerfen. 

Neue Möglichkeiten mit parametrischem Design
Wer sich den Parametern bewusst ist und die Zusammenhänge versteht, gewinnt bereits in der Phase des Entwurfs mit digitalen Methoden neue Möglichkeiten. Das parametrische Design ist eine davon: In sehr rascher Abfolge lassen sich unzählige Varianten entwickeln und überprüfen. Diese beruhen auf vorher festgelegten Parametern, die vom Entwerfenden entwickelt und zunächst vielleicht auf Skizzenpapier angedacht wurden.

Anschliessend wird das parametrische Modell in ein digitales Bauwerksmodell überführt, das – basierend auf vom Entwerfenden festgelegten Kriterien – weitere automatisierte Prüfungen zulässt. Daraus resultieren Lösungsansätze, welche zusätzliche entwurfsrelevante Informationen wie Tageslichtverhältnisse, das Tragverhalten oder den sommerlichen Wärmeschutz enthalten. Die abstrakten numerischen Werte können nun für alle Beteiligten visuell und nachvollziehbar dargestellt werden – als statisches oder bewegliches Bild oder als gedrucktes analoges Modell. Dafür notwendig – neben dem disziplinären Fachwissen – ist auch ein minimales Grundverständnis für die Programmierung. Nur so kann der Entwerfende der Maschine sagen, was sie zu tun hat. Fehlt das Wissen, beginnt die Abhängigkeit von Experten und der Architekt gibt das Steuer aus der Hand.

Das Prinzip bleibt gleich: von grob zu fein
Man sieht: Die digitalen Methoden und Werkzeuge unterstützen Architektinnen und Architekten zielgerichtet bei der raschen Lösungsfindung und somit bei einer ihrer Kernkompetenzen: dem Entwerfen und Verwerfen. Dies gelingt aber nur, wenn im Vorfeld gemeinsam die Ziele des Einsatzes von digitalen Methoden festgelegt und die Lösungen dann in interaktiven und reziproken Prozessen erarbeitet werden. Dabei gilt auch hier die alte – leider durch das CAD stark in den Hintergrund gedrängte – Regel des Arbeitens von grob zu fein! Im übertragenen Sinn vom 6B-Bleistift bis zum 0,18-mm-Tuschstift. Dieser Problematik müssen sich alle verstärkt bewusst werden. Denn es ist sinnlos, Attribute und Eigenschaften in Bauwerksmodellen zu fordern oder einzupflegen, die nicht phasengerecht sind und erst viel später genutzt werden. Erst recht bei frühen Projektphasen und Wettbewerben!

 
https://www.swissbau.ch/de/aktuell/blogr-6b-bleistift-des-architekten-und-das-digitale-bauen-ein-widerspruch