Alle Holzheizungen in der Schweiz ersetzen schon heute rund eine Million Tonnen Heizöl. Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht, denn in unserem Wald wächst bedeutend mehr Holz nach, als wir nutzen. Der Kanton Solothurn wollte es genau wissen und hat deshalb das zusätzlich nutzbare Energieholz-Potenzial untersuchen lassen.

Die Solothurner Gemeinde Bellach hat ihre Hausaufgaben gelöst. Ihr Bürgerwald umfasst rund 160 Hektaren Fläche und schenkt der Gemeinde bei nachhaltiger Bewirtschaftung neben hochwertigem Holz für Gebäude, Möbel und weitere stoffliche Verwendungen gut 350 Kubikmeter Energieholz, aus dem sich rund 1’000 Kubikmeter Hackschnitzel herstellen lassen. Die Bellacher wollen das Geld für den Einkauf ihrer Wärme nicht nach Arabien oder Russland schicken, sondern geben es lieber dem Förster und dem lokalen und regionalen Gewerbe. Sie bauten deshalb eine Holzschnitzelheizung mit Wärmenetz, mit dem sie öffentliche und private Gebäude mit klimaneutraler Wärme versorgen können. Die Preisentwicklungen von Öl und Gas in jüngster Zeit geben ihnen recht: Die eigene Holzenergie garantiert Stabilität und Zuverlässigkeit anstelle von Abhängigkeit und Spekulation.

Was die Gemeinde Bellach vorbildlich realisierte, soll im ganzen Kanton Solothurn Schule machen. Deshalb hat der Kanton sein erstes Holzenergiekonzept bereits 1986 erstellt und 1991 mit einem Förderungskonzept ergänzt. 1996 wurde eine Bilanz zur Überprüfung der Zielerreichung gezogen. 2009 und 2021 wurde das Holzenergiekonzept aktualisiert.

Das Holzenergie-Potenzial ist grösser als gedacht
1986 steckte die moderne Nutzung der Holzenergie noch in den Kinderschuhen. Holzhackschnitzel als Brennstoff für automatische Holzfeuerungen wurden erst an wenigen Orten eingesetzt, Pelletheizungen gab es noch nicht. Holz kam überwiegend in ländlichen Regionen in Form von Stückholz zum Einsatz, grösstenteils in handbeschickten Stückholzkesseln, Kachelöfen, Kochherden und Zimmeröfen. Heizöl und Gas hatten Holz jahrzehntelang zurückgedrängt. Doch die Trendwende kündigte sich bereits an, denn die Möglichkeit, Energieholz in automatischen Holzfeuerungen zu nutzen, erschlossen neue Marktmöglichkeiten. Und schon damals warben die Promotoren der Holzenergie mit den positiven Eigenschaften wie Klimaneutralität, Erneuerbarkeit und regionale Wertschöpfung. Die Experten errechneten damals einen Verbrauch von gut 46’000 Festmeter (1 Festmeter = 1 Kubikmeter feste Holzmasse) Holz und stellten diesem ein noch frei verfügbares Potenzial von knapp 130’000 Festmetern gegenüber. 1991 doppelten die Experten mit einem Förderungskonzept nach, in dem sie als Ziel formulierten, bis 2010 die Hälfte des zusätzlich nutzbaren Potenzials mittels Holzschnitzelheizungen mit einer Gesamtleistung von 60 Megawatt (MW) (inkl. bestehende Anlagen) zu nutzen.

Eine 1996 gezogene Zwischenbilanz zeigte auf, dass innert zehn Jahren Anlagen mit einer Gesamtleistung von 17 MW installiert worden waren, der Löwenanteil davon (12 MW) innert fünf Jahren nach Inkrafttreten des Förderungskonzeptes von 1991. Auf eine nochmalige Betrachtung des zusätzlich nutzbaren Potenzials verzichtete man 1996.

2009 liess der Kanton Solothurn das Holzenergiekonzept von 1986 aktualisieren. Der aktuelle Bedarf wurde 2009 auf 76’000 Festmeter geschätzt und das zusätzlich nutzbare Potenzial auf knapp 110’000 Festmeter.

Das 2021 erneut aktualisierte Konzept(*) dient den zuständigen Amtsstellen des Kantons als Entscheidungsgrundlage für die künftige Förderpolitik. Ziel muss eine möglichst vollständige Nutzung des zusätzlich nutzbaren Potenzials unter Berücksichtigung aller Waldleistungen sowie des Gebots der nachhaltigen Waldbewirtschaftung sein. «Die Holzenergie soll langfristig einen bedeutenden Anteil am gesamten Energiemix ausmachen und die Reduktion der Treibhausemissionen unterstützen.», lautet das Fazit der Autoren in der Zusammenfassung der Studie.

Grosses Potenzial bis 2036
Die Autoren des Holzenergiekonzepts 2020(*) haben zahlreiche Quellen befragt und zu Rate gezogen, um einen möglichst genauen Überblick über den effektiven Verbrauch und das zusätzlich verfügbare Energieholzpotenzial zu erhalten. Exakte Aussagen sind allerdings schwierig: Einerseits, weil die verfügbaren Daten teilweise weit auseinanderklaffen und andererseits, weil Holz aus dem Kanton Solothurn in die Nachbarkantone transportiert wird und umgekehrt.

Der errechnete Gesamtbedarf an Energieholz im Kanton Solothurn liegt 2019 bei etwa 104’000 Festmeter. Mit den bis 2029 voraussichtlich geplanten Anlagen – die eine Nennleistung von gesamthaft etwa 30 MW aufweisen – wird er auf etwa 128’000 Fm ansteigen. In diesen Zahlen sind Grossanlagen nicht berücksichtigt, die mit Altholz betrieben werden.

Die grosse Frage ist, wieviel Holz nach der Realisierung der bis 2029 geplanten Anlagen zusätzlich noch zur Verfügung steht. Daraus lassen sich Förderstrategien und der effektiv mögliche Beitrag der Holzenergie an die Klimaziele für die nächsten 15 Jahre ableiten.

Der bis 2029 errechnete, zusätzliche Bedarf an Energieholz (plus 24’000 Festmeter) beansprucht lediglich einen Teil des vorhandenen Potenzials. Ohne Altholz liegt das zusätzlich verfügbare Potenzial nach 2029 bei 33’000 bis 144’000 Festmeter. Damit liessen sich Anlagen mit total 40 – 180 MW Nennleistung betreiben. Die entscheidende Grösse ist das Waldholz. Je nach Bewirtschaftungsszenarium des Waldes schwankt das Potenzial um mehr als den Faktor drei. Denn es macht einen grossen Unterschied, ob wir den Wald zurückhaltend oder nachhaltig (d.h. es wird gleich viel Holz genutzt wie nachwächst) bewirtschaften, oder ob mehr Holz genutzt wird als nachwächst. Letzteres ist möglich oder gar nötig, wenn infolge von Schadenereignissen (Trockenheit, Sturm etc.) oder des klimabedingt notwendigen «Umbaus» des Waldes mehr Holz genutzt wird als nachwächst.

Neben dem Waldholz sind das Rest- und das Flurholz fast vernachlässigbare Grössen. Das zweite wichtige Potenzial liegt im Altholz, das heute zum grössten Teil ins Ausland exportiert wird. Hier liegt noch eine grosse Chance begraben, denn mit 60’000 Festmetern Altholz könnten eine oder mehrere grössere Anlagen mit Stromproduktion betrieben werden. Das wäre allemal gescheiter als der Export ins Ausland ohne Wertschöpfung im Inland.

Viele Anwendungsmöglichkeiten und Produkte aus Energieholz
Das Holzenergiekonzept 2020 des Kantons Solothurn zeigt – trotz der anspruchsvollen Datenlage – ein grosses Potenzial auf. Wenn alle geplanten Projekte bis 2029 gebaut werden und bestehende Anlagen im Sanierungsfall wiederum durch Holzheizungen ersetzt werden, kann das dannzumal immer noch vorhandene Potenzial umgerechnet jedes Jahr rund 6’600 – 28’800 Tonnen Heizöl ersetzen (Annahme: 1 Festmeter Holz ersetzt 200 kg Heizöl). Dies entlastet die Atmosphäre jährlich um 20’700 – 90’500 Tonnen CO2.

Aus energie- und klimapolitischer Sicht sollte das gesamte Holzenergiepotenzial deshalb so schnell als möglich genutzt werden. Geeignete Förderprogramme können den Bau neuer Anlagen wesentlich beschleunigen. Dabei stehen die heute etablierten Anwendungstechnologien Stückholz, Pellets und Hackschnitzel im Zentrum. Die Erzeugung von Strom in Wärmekraftkoppelungsanlagen oder gar von Pflanzenkohle sowie Anwendungen im Bereich von Hochtemperatur-Prozessenergie sind unter geeigneten Voraussetzungen künftig ebenfalls ins Auge zu fassen. Eine grosse Stärke der Holzenergie ist und bleibt ihr sehr breites Anwendungsspektrum.

Handlungsempfehlungen an den Kanton und weitere Akteure
Das Holzenergiekonzept 2020 schliesst mit Empfehlungen zur verstärkten finanziellen Förderung von Holzenergieprojekten, zur Weiterführung der kostenlosen Heizungsberatung, zur Wahrnehmung der Vorbildfunktion bei Bauten der öffentlichen Hand und zu Informationsmassnahmen bei wichtigen Akteuren. Langfristig empfiehlt das Konzept unter anderem eine Potenzialanalyse für Fernwärme und Wärmekraftkoppelung, die Beratung von Grossverbrauchern, eine verstärkte einheimische Verwertung von Altholz und die Förderung von Solothurner Holzpellets.

Kontakt: info@holzenergie.ch
Webseite: https://www.holzenergie.ch

Quelle: Holzenergie Schweiz, Christoph Rutschmann