Ein Spaziergang im Wald ist gesund. Hier herrschen noch Natur und Artenvielfalt, so der verbreitete Glaube des Spaziergängers. Der Förster eines typischen Forstbetriebs im Mittelland nimmt den Spaziergänger auf einen Waldrundgang mit und erzählt Interessantes. Er ist froh, dass die Nachfrage nach Energieholz in den letzten Jahren gestiegen ist. Das ist nicht nur für das wirtschaftliche Überleben des Forstbetriebs wichtig, sondern steigert auch die Biodiversität im Wald. Wie geht das?

Beim Übergang von der intensiv genutzten Landwirtschaftsfläche in den Wald erläutert der Förster, dass die Schweiz im europäischen Vergleich mit lediglich gut sechs Prozent anteilsmässig am wenigsten Landschaftsschutzgebiete ausgeschieden hat. Darum ist es um die Biodiversität in unserem Land besonders schlecht bestellt. Rund ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten sind gefährdet. Erschreckende neunzig Prozent der Trockenwiesen sind in den letzten hundert Jahren verschwunden. Das ist nicht gerade ein Ruhmesblatt für ein Land, das in der Eigenwerbung immer wieder die Schönheit seiner Natur betont. Zudem bedroht die schnell fortschreitende Klimaerwärmung mit heissen, trockenen Sommern und einer veränderten Niederschlagsverteilung viele einheimische Arten. Der Spaziergänger schluckt leer und staunt. Ihm gilt der Wald in der Schweiz als Hort der Biodiversität.

Wenigstens im Wald ist die Welt noch in Ordnung, denkt er. Stimmt das? Jein! Denn Wald ist nicht gleich Wald. Eine hundertjährige Fichtenmonokultur beispielsweise ist besonders artenarm. Die Kronen der eng zusammenstehenden Bäume halten das Licht zurück, und durch die Nadelstreu entsteht über die Jahrzehnte ein eher saurer Boden. Dem Spaziergänger fallen die kahlen Böden im dunklen Fichtenwald sofort auf. Ab und an gedeihen einige Brombeeren, die auch nicht gerade der Traum artenreicher Standorte sind. Immerhin duftet es gut… Fichtenwälder im Mittelland sind künstlich gemacht, wirft der Förster ein. Sie wurden im Zuge der grossen Aufforstungen vor hundert und mehr Jahren angelegt, als die Schweizer Wälder infolge langjähriger Übernutzung ausgeplündert waren. Künstlich als Monokulturen angelegte Wälder sind offensichtlich ungünstig, lernt der Spaziergänger und fragt sich, wie es denn in einem naturbelassenen Wald um die Artenvielfalt bestellt ist? Der Förster erklärt, dass es in der Schweiz kaum naturbelassene Wälder gibt, dass aber Generationen von Förstern Wert auf einen naturnahen Aufbau des Waldes und eine entsprechend schonende Bewirtschaftung gelegt haben. So herrscht in der Schweiz ein Rodungsverbot und zuoberst wacht das gesetzliche Gebot der Nachhaltigkeit. Es verbietet, pro Jahr mehr Holz zu nutzen, als im gleichen Zeitraum im Wald nachwächst. Seit Jahrzehnten nutzen wir in der Schweiz deutlich weniger Holz als nachwächst, betont der Förster. Dadurch verfügt die Schweiz über rekordverdächtige Holzvorräte pro Hektar Waldfläche. Das heisst aber auch, dass unser Wald tendenziell überaltert und dadurch anfälliger gegenüber Stürmen und Borkenkäfern ist. Der Förster führt den Spaziergänger in ein Revier, wo grosse Buchen bestandesbildend sind. Einige Ahorne, absterbende Eschen und stattliche Eichen bringen etwas Abwechslung ins Waldbild. So stellt sich der Spaziergänger den Wald vor! Hallenartig, erhaben, in zahlreichen Grüntönen schimmernd. Vereinzelt blitzen Sonnenstrahlen durch das Laubdach bis auf den Boden, der mit Kräutern, Gräsern und manchmal auch kleineren Büschen begrünt ist. Der Förster relativiert die Traumvorstellung des Spaziergängers. Auch hier dominieren relativ wenige Arten, und die Tierwelt ist ebenfalls nicht besonders vielfältig. Für eine grossen Artenvielfalt gelangt auch hier zuwenig Licht auf den Boden. Im Schweizer Mittelland wäre diese Art des Waldes – sogenannte Buchen-Waldgesellschaften – von Natur aus mit Abstand am häufigsten. Im Vergleich zu einer intensiv landwirtschaftlich genutzten Fläche ist dieser Wald immer noch ein wahres Paradies der Artenvielfalt. Darauf ist der Förster stolz.

Der Spaziergang führt zu einer riesigen Holzbeige. Haushoch aufgestapelt liegen Fichten- und Weisstannenstämme am Weg. Der Förster fordert den Spaziergänger auf, genau hinzusehen. Teilweise hat sich die Rinde vom Holz gelöst. Sie weist abertausende kleiner Löcher auf. Ihre Innenseite ist mit einem Netz feiner Gänge übersät. Das gleiche Bild präsentiert sich an der Holzoberfläche. Es sind die Frassspuren des Borkenkäfers, dessen gewaltige Population selbst gesunde Bäume zum Absterben bringt. Der besonnene Förster hebt die Stimme. Der Spaziergänger merkt sofort, dass nun etwas Grundsätzliches folgt. Unsere wichtigsten vier Baumarten sind die Rot- und die Weisstanne sowie die Buche und Esche. Sie machen etwa dreiviertel aller Bäume im Wald aus. Die ersten drei leiden massiv unter den heissen und trockenen Sommern der letzten Jahre, und der Esche setzt ein aggressiver, aus Asien eingeschleppter Pilz massiv zu. Der Förster zitiert eine Studie der Eidgenössischen Anstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, wonach unsere vier wichtigsten Baumarten in den nächsten Jahrzehnten weitgehend aus dem Mittelland verschwinden werden. Aber damit verschwindet ja fast der ganze Wald, entsetzt sich der Spaziergänger. Es wird tatsächlich eine gewaltige Herausforderung, bestätigt der Förster. Tote oder absterbende Bäume sind möglichst rasch aus dem Wald zu entfernen. Ihr Holz kann vor allem noch als Energieholz genutzt werden. Dank der zahlreichen, in den letzten Jahren in der Schweiz gebauten Holzheizungen mit Wärmenetzen stieg die Nachfrage nach Energieholz deutlich an. Ohne diese Absatzmöglichkeit würden die Forstbetriebe und Waldeigentümer auf ihrem qualitativ minderwertigen Holz sitzenbleiben. Alle Baumarten und auch dünne oder krumme Stämme bzw. Astmaterial können zu Energieholz aufbereitet werden. Der Förster bezeichnet dies als grosse Chance für einen zügigen «Umbau» des Waldes auf klimaresistentere Baumarten. Durch die vermehrten Nutzungen wird mehr Licht auf den Waldboden fallen. Die grösseren Verjüngungsflächen und das Nebeneinander von jungen und alten Bäumen wirken sich sehr positiv auf die Artenvielfalt aus. Man wird mehr verschiedene Baumarten nebeneinander pflanzen: Linde, Ahorn, Lärche, Eiche, Douglasie und Föhre werden zu schönen und abwechslungsreichen Waldbildern heranwachsen. Die notwendige Pflege des heranwachsenden Waldes wird attraktiver, wenn das anfallende Holz als Energieholz verkauft werden kann. Energieholz wurde in den letzten Jahren immer wichtiger und entwickelte sich vielerorts vom Nebenprodukt zum Motor der Waldbewirtschaftung. Der Förster freut sich darüber, dass als positiver Nebeneffekt dieser Entwicklung die Artenvielfalt steigt. Dem Spaziergänger ist klar geworden, dass man genau hinschauen und differenziert urteilen muss. Er versteht nun das Engagement des Försters für die klimaneutrale und erneuerbare Holzenergie und nimmt sich vor, ein Projekt in seiner Wohngemeinde für eine grössere Holzheizzentrale mit Wärmenetz tatkräftig zu unterstützen. Er ist begeistert, damit einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität leisten zu können.

Autor: Christoph Rutschmann, Dipl. Forst Ing. ETH
Bildquelle: Holzenergie Schweiz, Christoph Rutschmann

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