Im Rahmen der Energiewende wird das Speichern der im Sommer anfallenden, überschüssigen Solarenergie zur Nutzung im Winter an Bedeutung gewinnen. Über Energiespeicherung wird deshalb gerade sehr viel gesprochen. Noch kaum bekannt ist die interessante Möglichkeit, mit überschüssigem Sommerstrom Energieholz zu trocknen und so dessen Energieinhalt signifikant zu erhöhen.

2022 war schon wieder ein Hitzejahr. Europaweit verzeichnete man den heissesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht von mindestens 15’000 Hitzetoten in Europa infolge einer generellen Zuspitzung von Hitzewellen, Dürren und Waldbränden. In der Schweiz ist es noch extremer: Hierzulande steigen die Durchschnittstemperaturen etwa doppelt so schnell wie im weltweiten Durchschnitt. Der Oktober 2022 beispielsweise wird in der Schweiz als bisher heissester Oktober seit Messbeginn von 1864 in die Geschichtsbücher eingehen. Die Natur und damit auch der Mensch leiden immer offensichtlicher unter Trockenheit und Hitze. Die Energiewende ist somit dringender und wichtiger denn je, weil das Verbrennen von Gas, Öl und Kohle das Klima weiter anheizt. Der Umbau der Energieversorgung ist mit höchster Priorität voranzutreiben. Dabei sind alle gefordert, insbesondere die Politik, die auch mit internationaler Zusammenarbeit noch viel schneller als bisher gute Rahmenbedingungen für einheimische, erneuerbare Energien schaffen muss.

Energie vom Sommer in den Winter verlagern

Für eine ganzjährig vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien braucht es unter anderem sehr grosse Anlagenkapazitäten zur Produktion von Sonnen- und Windstrom. Der Anlagenpark ist auf den Spitzenbedarf im Winterhalbjahr auszurichten. Das wird im Sommerhalbjahr trotz möglicher Massnahmen zur Brechung der winterlichen Verbrauchsspitzen unvermeidlich zu Überproduktionen insbesondere von Solarstrom führen. Der überschüssige Strom ist in geeigneter Form zu speichern. Dafür eignen sich Batterien oder Wärmespeicher oder in Zukunft die Umwandlung von Strom in Wasserstoff. Eine bisher kaum erwähnte, zeitnah umsetzbare und verhältnismässig günstige Lösung mit guter Ökobilanz ist die Nutzung des überschüssigen Solarstroms zur Trocknung von Holz.

Im Sommer unverkäufliche Energie dient der Trocknung von Holz und erhöht dadurch dessen Energiegehalt. Die Energie lässt sich dadurch sozusagen «im Holz speichern» und im Winter nutzen. Der Trocknungsprozess ist äusserst effizient, denn der Energieaufwand für die Trocknung ist deutlich kleiner als die dadurch zusätzlich nutzbare Energie. Das tönt fast unglaublich, gehorcht aber den Gesetzen der Physik. Das Phänomen ist wie folgt erklärbar. Man nehme ein Kilogramm waldfrische Holzhackschnitzel. Diese haben einen Wassergehalt von 50 Prozent. Ein Kilogramm Holzhackschnitzel besteht somit aus je 500 Gramm Wasser und Holzmasse. Zudem ist es in der vorliegenden Beispielrechnung ein Gemisch aus den beiden häufigsten Schweizer Baumarten, Buche und Fichte. Dieses Gemisch hat einen Energieinhalt von 2.21 Kilowattstunden pro Kilogramm. Trocknet man die Holzhackschnitzel auf einen Wassergehalt von 15 Prozent, müssen 350 Gramm Wasser verdunstet werden. Das Gewicht der Holzhackschnitzel nimmt somit von einem Kilogramm auf 650 Gramm ab, wovon immer noch 500 Gramm Holzmasse, aber nur noch 150 Gramm Wasser sind. Diese 150 Gramm Wasser entsprechen 15 Prozent des ursprünglichen Gewichts der Holzhackschnitzel. Das Holz hat somit einen Wassergehalt von 15 Prozent. Der Energieinhalt von 650 Gramm Holzhackschnitzeln mit einem Wassergehalt von 15 Prozent liegt bei 2.7 Kilowattstunden. Das Holz enthält folglich 0.5 Kilowattstunden mehr Energie als vor der Trocknung. Selbstverständlich liesse sich die Rechnung auch mit einem Trocknungsprozess auf lediglich 20 oder 25 Prozent anstellen. Dies würde zwar den Energieinhalt des Holzes weniger stark erhöhen, bedingte aber auch einen geringeren Energieaufwand zur Trocknung, da weniger Wasser verdunstet werden müsste.

Wieviel Energie braucht es, um Holz zu trocknen? Die Trocknung macht nur dann Sinn, wenn sie energieeffizient vonstattengeht, d.h. wenn nicht mehr Energie eingesetzt werden muss, als gewonnen werden kann.

Es geht im vorliegenden Beispiel darum, pro Kilogramm Holzhackschnitzel 350 Gramm Wasser zu entfernen. Um 1’000 Gramm (= 1 Liter) Wasser zu verdampfen, sind 0.62 Kilowattstunden Energie erforderlich. Folglich benötigt die Verdampfung von 350 Gramm Wasser 0.22 Kilowattstunden Energie. Das führt zu einem erstaunlichen Resultat: Mit einem Energieaufwand von 0.22 Kilowattstunden lässt sich der Energieinhalt von 1 Kilogramm speicher- und damit im Winter nutzbarem Holz um 0.5 Kilowattstunden erhöhen. Einfach gesagt verdoppelt sich die nutzbare Energiemenge, wenn man den überschüssigen Sommerstrom dazu verwendet, Holz zu trocknen!

Aus 1 Kilowattstunde Sommerstrom entstehen 2 Kilowattstunden Winterenergie

Ob eine Idee umgesetzt werden soll, hängt von ihrer Praxisrelevanz ab, das heisst im vorliegenden Fall von der Grösse des Potentials zur Gewinnung zusätzlicher Energie durch Holztrocknung. 2021 wurden in der Schweiz 5.8 Millionen Kubikmeter Energieholz genutzt. Würde man davon knapp einen Fünftel, d.h. eine Million Kubikmeter, der heute mehr oder weniger waldfrisch in automatischen Holzfeuerungen genutzt wird, auf 15 Prozent Wassergehalt heruntertrocknen, ergäbe dies folgenden Energiegewinn.

1’000’000 Kubikmeter waldfrisches Holz (hälftig Buche und Fichte gemischt) mit 50 Prozent Wassergehalt haben ein Gewicht von 937’000 Tonnen. Pro Tonne Holz resultiert aus der Trocknung auf einen Wassergehalt von 15 Prozent ein Energiegewinn von 0.5 Megawattstunden. Davon ist der für die Trocknung erforderliche Aufwand von 0.22 Megawattstunden pro Tonne abzuziehen. Es resultiert somit ein Energiegewinn von netto 262’360 Megawattstunden (0.28 Megawattstunden mal 937’000). Diese Menge entspricht 26’200’000 Litern oder 22’270 Tonnen Heizöl. Das ist beachtlich und lohnt eine nähere Prüfung der Realisierung von Anlagen zur Holztrocknung mit überschüssigem Solarstrom im Sommer.

Bildlegende:

 Holzhackschnitzel: Je trockener, desto energiereicher
Bildquelle: Christoph Rutschmann, Holzenergie Schweiz 

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 Doppelter Boden mit Löchern: Warme Luft wird von unten eingeblasen und trocknet die auf dem Rost gelagerten Schnitzel
Bildquelle: Christoph Rutschmann, Holzenergie Schweiz 

Webseite  https://www.holzenergie.ch/