Um für den Fall eines möglichen Lieferstopps von Gas aus Russland besser gerüstet zu
sein, arbeitet die Schweizer Gaswirtschaft zusammen mit den Bundesbehörden daran, die
Gasversorgung für den Winter 2022/23 besser abzusichern. Dazu richtet sie eine
Gasreserve ein. Nachdem der Bundesrat eine entsprechende Verordnung verabschiedet
hat, nimmt die Branche die Umsetzung an die Hand.
Anfang März entschied der Bundesrat aufgrund des Krieges in der Ukraine, die rechtlichen
Voraussetzungen zu schaffen, dass die Schweizer Gaswirtschaft möglichst rasch Gas,
Gasspeicherkapazitäten, Flüssiggas (LNG) und LNG-Terminalkapazitäten gemeinsam, ohne
kartellrechtliche Nachteile, beschaffen kann. Aufgrund des Kartellgesetzes und des
fehlenden Gasversorgungsgesetzes waren der Gasversorgung hier in verschiedener Hinsicht
die Hände gebunden.
Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie VSG bildete im Anschluss eine Taskforce mit
Vertretern der Gaswirtschaft sowie der Bundesbehörden und bereitete ein Konzept vor, wie
eine Gasreserve eingerichtet werden kann. Der Bundesrat hat nun die dafür notwendige
Verordnung über die Sicherstellung der Lieferbereitschaft von Betrieben zur
Erdgasversorgung verabschiedet. «Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, die
Versorgung für den kommenden Winter weiter zu stärken», sagt VSG-Direktorin Daniela
Decurtins. Die regionalen Gasnetzbetreiber werden verpflichtet, die Versorgung im
kommenden Winter bestmöglich sicherzustellen. So müssen 15 Prozent (rund 6 TWh) des
inländischen Jahresverbrauchs (35 TWh) in Speicheranlagen in den Nachbarländern gelagert
werden und spätestens ab 1. November 2022 verfügbar sein. Im Weiteren müssen 20 Prozent
(6 TWh) des Schweizer Winterverbrauchs in Frankreich, Deutschland, Italien und in den
Niederlanden in Form von Optionen für zusätzliche Gaslieferungen zur Verfügung stehen und
kurzfristig abgerufen werden können.
Kritisch ist dabei, dass das von der Schweizer Gaswirtschaft beschaffte Gas tatsächlich
auch in die Schweiz transportiert werden kann. «Der Bund muss hier zwingend mit seinen
Bemühungen fortfahren, von den europäischen Ländern entsprechende Zusagen zu
erhalten», hält Decurtins fest. Die Branche bewertet es als positiv, dass gemäss Verordnung
die dabei anfallenden Kosten diskriminierungsfrei über die Netznutzungstarife gedeckt
werden. Im nächsten Schritt muss nun geklärt werden, wie die Bewirtschaftung der
Gasreserve geregelt wird. Zentral ist, dass der Bundesrat sicherstellt, dass die Branche
keinen kartellrechtlichen Sanktionsrisiken ausgesetzt ist.
«Die Schweizer Gasbranche unternimmt grosse Anstrengungen, um für einen allfälligen
Engpass bei der Gasversorgung gerüstet zu sein. Die Gasreserve ist ein Beitrag zur Erhöhung
der Versorgungssicherheit», sagt Daniela Decurtins. Im Moment ist die Versorgungssicherheit
in der Schweiz mit Gas gesichert, wobei sich die Preise auf einem ausserordentlich hohen
Niveau bewegen. Nach wie vor stehen die Szenarien im Raum, dass der Westen ein
Gasembargo gegen Russland beschliesst oder dass Russland seine Gaslieferungen in den
Westen ganz oder teilweise einstellt. So hat Russland vor kurzem einen Gaslieferstopp für
Polen und Bulgarien beschlossen und anderen Staaten ähnliche Massnahmen angedroht.
Zudem gehen seit ein paar Tagen die Gastransite durch die Ukraine zurück.

«Die Schweizer Gaswirtschaft will bestehende Abhängigkeiten von russischem Gas möglichst
schnell reduzieren und die alternativen Bezugsmöglichkeiten breit abstützen», sagt Daniela
Decurtins. Die Schweizer Gaswirtschaft unterstützt das Netto-Null-Ziel 2050 des Bundes, so
wird Erdgas in den kommenden Jahren immer mehr durch erneuerbare und klimaneutrale
Gase ersetzt, die neben Biogas auch synthetisches Methan und Wasserstoff umfassen. Es
braucht jedoch seine Zeit, um die Gasversorgung vollständig zu dekarbonisieren. Im Zuge
der zunehmenden Elektrifizierung zeichnen sich schon heute vermehrt Stromengpässe im
Winter ab. Kommt dazu, dass heute grosse Mengen an Strom importiert werden, die aus
nicht erneuerbaren Quellen stammen. Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK), die mit
erneuerbaren Gasen betrieben werden, können einen wichtigen Beitrag leisten, die
Winterstromproblematik zu entschärfen. Mit 15 Prozent am Endenergieverbrauch ist Erdgas in
der Schweiz ein bedeutender Energieträger, insbesondere auch für die Industrie.
Die Branche nimmt zur Kenntnis, dass der Bundesrat beschlossen hat, den
Vernehmlassungsentwurf zum Gasversorgungsgesetz gemäss den Erkenntnissen des
Ukrainekriegs zu überarbeiten. Sie fordert den Bund jedoch auf, das seit Längerem dringend
benötigte Gesetz jetzt schnell voranzutreiben. Es braucht ein Gesetz, das Rechtssicherheit
beim Marktzugang schafft und Anforderungen an die Versorgungssicherheit berücksichtigt

Verband der Schweizerischen Gasindustrie
Association Suisse de l’Industrie Gazière
Associazione svizzera dell’industria del gas